Regenschirm. Roman by Will Self

Regenschirm. Roman by Will Self

Autor:Will Self [Self, Will]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455812541
Herausgeber: Hoffmann und Campe
veröffentlicht: 2014-02-28T05:00:00+00:00


– Sir? Ihre ganze Koketterie, wenn man es so nennen kann, liegt in ihrer etwas nuscheligen Aussprache, die sie aus Oxfordshire mitgebracht hat, und in der Hüfte, die sie mit der eigenen Hand vorschiebt. Sie sind allein in diesem entlegenen Sektor des weitläufigen Gartens – die anderen sitzen auf der abgewandten Seite des Hauses unter Obstbäumen, sie essen und unterhalten sich. Allein in einer Kakophonie von Gurkenstangen, einer Salve von Himbeerstöcken … drüben gibt es eine Menge zu essen, ein klaffender Schinken neben einem vernarbten Brotlaib, ein Mus aus Beerenhirn. Über allem thront der Kahlkopf, laut Adeline ein echter Earl. Das Dienstmädchen ist nicht hübsch, und auf der Hand, die die Hüfte vorschiebt, sind Brombeerflecken, Mauer, Mauer, Mauerblümchen, wirst du größer, musst du sterben, aber sie ist jung und frisch, zum ersten Mal tut er etwas, einfach weil er es tun kann, und weil er sich über Adeline geärgert hat — kühn macht er sich über sie her, sein Mund erstickt ihren Aufschrei. Einen Augenblick leistet sie Widerstand – lang genug, um das Säuerliche ihrer Zähne zu schmecken und die entwendete Pond’s-Creme auf ihrer talgigen Wange zu riechen – schon gibt sie nach, Wir werden dich vermissen, wir werden auch mit Hand und Herz, dich preisen und dich küssen, wenn du zu uns nach Hause kehrst … Das, denkt Stanley, werde ich bewahren: ihr furchtsam flitzendes Taubenzünglein, ihre schmale, wählerische Hand, gefangen in meiner, ihr an meinen Unterarm geschmiegter Hohlrücken, als sie sich weit, weit zurücklehnt …, Stoffschichten, heimlich an heimliche Stellen gleitend. Das Dienstmädchen passt ihren Körper seinem an, sie schmiegt sich ein, entspannt sich, bis sie … plötzlich ganz erschlafft. Jack Johnson ist erst in der sechsundzwanzigsten Runde k.o. gegangen – ihre Glieder sind komplett gelöst, alle Sehnen durchgeschnitten. Ihre Zunge schlappt auf seine Unterlippe, er schmeckt, verschluckt sich an ihrem spritzenden Blut, er hört das unverkennbare Geräusch einer auf Talg knallenden Peitsche: ein Kopfschuss, der im flintsteinigen Schützengraben hallt. Ihre Stirn ist weg, ein Auge ist weg, auf den Erdklümpchen zwischen dornigen Rosen liegt die Haube, in deren kröseligen Rüschen Büschel von khakifarbenem Haar kleben, darunter das gekochte Mus des Hirns. Stanley legt sie sanft auf den Boden, sie ist – in Tod – gewickelt. — Ich schlage vor, sagt der nackte Schädel, den alle Bertie nennen, dass man alle Jungen, die das Alter von achtzehn Jahren erreichen, in drei Kategorien einteilen soll – und zwar völlig willkürlich … Er spricht so: die Sätze stehen in Reih und Glied, die Wörter marschieren im Gänsemarsch aus seinem Knochenloch … – Die in der ersten Kategorie werden in den Tod geschickt, schmerzlos in einer mit tödlichen Gasen gefüllten Kammer, den Jungen in der zweiten Kategorie entfernt man einen Arm oder ein Bein – vielleicht auch ein Auge –, die Unglücklichen der dritten Kategorie aber werden Tag und Nacht mit dem schlimmsten Lärm beschallt, den man sich vorstellen kann. Es ist wichtig, das Donnern und Blitzen der Granaten, den mechanischen Krawall der Maschinengewehre so lange fortzusetzen, bis alle einer nervösen



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